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Über Masken

Eine Maske fesselt die Blicke an sich und wer ihr Leben einhaucht, dem widerfährt das Gleiche durch sie.

Ihr Stellenwert in der Geschichte der Kunst ist enorm, es gibt kaum ein Volk ohne Maskentradition. Ihre Wurzeln reichen tief in die Vergangenheit.

Seit der Mensch sich selbst wahrnimmt und seine Umgebung erkundet, begleiten ihn Vorstellungen vom Lebendigen – Bilder im Kopf, die sich veräußern wollen. Dies war anfänglich ein sehr körperlicher und emotionaler Akt. Über den Weg des darstellenden Spiels konnte das Unergründliche (also die Gewalten der Natur) fassbar gemacht werden. Hierzu gehört zwingend die Maskierung.

Schamanen

Auch Europa wurde ein wunderbares Erbe beschieden. In vielen Gegenden ist noch gegenwärtig, was sich einst aus kultischen Gebräuchen entwickelte.

Einige Höhlen in Südfrankreich und Spanien bergen Malereien, die aus der älteren Steinzeit stammen, so die über 10000-jährigen Tiermaskenträger in `La Madelain`, oder der Hirschmensch von Trois Fréres.

Dargestellt werden Tiertänze, die in verschiedenen Regionen der Erde praktiziert wurden / werden.

Ein Geweih, das die Stirn krönt, ein Bärenfell vom Kopf an übergezogen – dies sind frühe Formen der Maske. Unter ihrem Einfluss, durch Lautimitation, Tanz und Rhytmik entrücken ihre Träger der Realität. Sie nehmen so Verbindung zur Seele des Tieres auf, häufig, um ihr Jagdglück zu beschwören. Die mögliche Beute konnte so gebannt werden. Der Büffeltanz nordamerikanischer Indianer beispielsweise war ein Lockmittel.

Der Jäger schlüpfte jedoch nicht nur in die Rolle des Opfers. Spannend sind die Berichte von jenen, die sich in das Fell eines Wolfes - und damit in dessen Wesen - hüllten. Der Wolf genoss große Ehrfurcht, vor allem seine Art zu jagen beeindruckte. Durch das Tragen seiner Haut werden diese Qualitäten übernommen.

„Er trug die Maske und er wurde was die Maske zeigte.“(W.-E.Peuckert)

Das ist ihr erster Sinn: man verlässt seine Persönlichkeit und schlüpft in eine andere. Dies ist ein magischer Vorgang. Das Beschwören übersinnlicher Kräfte war ein wichtiger Faktor im Gruppenleben unserer Vorfahren. Es entwickelten sich Menschen mit besonderen Fähigkeiten - die Schamanen.

Deren Reise durch die Unterwelt konnte gefährlich sein. Auf der Suche nach den Seelen Kranker oder Verstorbener, müssen sie das eigene Antlitz wahren, um von den Geistern nicht erkannt zu werden, um sich selbst nicht zu verlieren. Der nächste Verwendungszweck einer Maske ist also Tarnung, Schutz der Identität. Und hierfür wurden wohl erstmals künstliche/künstlerische zweite Gesichter gebaut/gestaltet. Es gibt, um ein Beispiel zu nennen, wunderschöne Exemplare aus dem afrikanischen Raum, die durch ihre Formvollendung und geometrische Einfachheit bestechen.

Die Masken sollen über das darunter Verborgene hinwegtäuschen und das können sie auch. Täuschung durch Ausdruck - das ist, was sie von bloßer Vermummung unterscheidet. Der Gegner / das Gegenüber soll abgelenkt oder beeinflusst werden.

Wildheit

Die Wirkung einer Verkleidung auf die menschlich Psyche kann enorm sein. Das ist der Maskenzwang – sie ergreift Besitz von ihrem Träger, sie zwingt ihm ihr Wesen auf.

Es erfährt noch eine Steigerung, wenn sich zu diesem Ereignis viele Maskenträger vereinen.

Die sich daraus entwickelnde Gruppendynamik führt zum Rausch, worin die einzelnen Persönlichkeiten aufgehen.

Hierzu geben die Berserker ein gutes Beispiel, von welchen alte nordische Schriften berichten. Der Name bedeutet ´Bärengewandige`, andere Quellen künden auch vom ulfhethnar = ´Wolfskleid`. Das Gefühl von Stärke und Unüberwindlichkeit wird so gesteigert, dass es in einen ekstaseartigen Zustand mündet, in dem die Wildgewordenen auf echte oder eingebildete Gegner losgehen.

Den Berserkern lastet viel sagenhaftes an - es geht mir jedoch um ein Prinzip, welches hier deutlich wird und Tatsache ist: die äußere Verwandlung bewirkt eine innere.

Auch beim Maskenzug der Perchten ist ähnliches zu beobachten. Noch heute zeugt das berühmte Fastnachtstreiben in der Alpenregion von vergangenen kultischen Handlungen, den Frühlingsschwärmen. Der religiöse – und damit gemeinschaftliche - Charakter gründet sich auf eine spezielle Gottheit (hier die Percht, welche mit Frau Holle zu vergleichen ist) und deren Anbetung: ein Fruchtbarkeitszauber.

Das Aussehen der Masken variiert von Ort zu Ort, generell wirken sie hexenartig, oder es sind phantastische Ungeheuer. Auch hier geraten die Träger außer sich und in den Bann der Maske:

„...und war damals nicht mehr Spieler, sondern Spielzeug eines Unnennbaren.“ (W.-E.Peuckert)

Dieses wilde Treiben muss wie eine psychologische Impfung wirken: mit viel Lärm werden die Wintergeister zuerst heraufbeschworen, dann verscheucht. In ähnlicher Weise funktionierten die ersten theatralen Aufführungen – es liegt nahe, den griechischen Begriff Katharsis anzuwenden.

Dionysos

´Katarain` bedeutet säubern – körperliche, seelische, aber vor allem religiöse Hygiene, also: Läuterung von menschlichen Leidenschaften mit dem Ziel, gottgleich zu werden. Etwas das für den Massenbetrieb im antiken Griechenland in den großartigen Amphietheatern zelebriert wurde (siehe dazu „Katharsis durch Musik“).

Die Maske ist Symbol des Theaters. Und sie war schon Bestandteil dessen, was dorthin führte: dem Dionysoskult. Auch hier geht es um Fruchtbarkeit und Wiedergeburt, aber dieser ´Gottesdienst´ geschieht unter der südlich-warmen Sonne, wo ein anderes Temperament herrscht.

Dionysos steht für den Rausch, das Triebhafte, den Instinkt. Die Feste ihm zu Ehren sind orgiastisch, begleitet von Wein, Musik, Tanz. Ein rituelles Gelage sozusagen, wobei die Verwendung von Masken dazu diente, in die Rolle des Gottes zu schlüpfen. Dessen Tiergestalt (es handelt sich um den Ziegenbock) wurde hier als Vorbild genutzt.

Seine Gefolgsleute traten schwarmhaft auf, bildeten singende Prozessionen. Daraus entwickelte sich der ´Bockschor`, aus dem sich irgendwann ein Vorsprecher löste, dann ein zweiter: Dialoge entstanden.

Die klassische griechische Tragödie wurde begründet und diese Bezeichnung verweist auf ihren Ursprung: ´tragos` (=Ziegenbock), ´ode`(=Lied). „Der griechische Kulturmensch fühlt sich im Angesicht des Satyrchors aufgehoben: und dies ist die nächste Wirkung der dionysischen Tragödie, dass der Staat und die Gesellschaft, überhaupt die Klüfte zwischen Mensch und Mensch einem übermächtigen Einheitsgefühle weichen, welches an das Herz der Natur zurückreicht.“ (F.Nietzsche)

Theater

Die ersten Masken, die tatsächlich für das Theater geschaffen wurden, waren steinern und sahen sehr grotesk aus. Sie waren nun Gegenstände von Rollenspielen in denen der Mensch im Mittelpunkt stand – also auch und vor allem seine Mimik, der Ausdruck des Gesichtes, neben der Sprache wohl unser stärkstes Kommunikationsmittel.

Darin offenbaren sich Empfindungen und Empfindlichkeiten. Das antike Theater war ein psychologischer Befreiungsakt, ein Ritual der Leidenschaften – es gipfelte und verschaffte die angenehme Mattigkeit danach.

Diese Archaik ist in den 2500 Jahren, die zwischen damals und heute liegen, verloren gegangen – doch kann das Theater nicht ohne Masken leben. Sie sind eines der kraftvollsten Elemente der Bühne. Gegen ihre Eigenständigkeit kann ein Darsteller nicht anspielen. Deshalb müssen beide eine Einheit bilden, um so die perfekte Illusion eines anderen Wesens hervorzuzaubern.

Auch außerhalb der „Bretter“ beweist die Maske, wie tief der Hang zur Verkleidung, zum Spiel in uns wurzelt. Damit bedient sie ein Urbedürfnis und der Bogen in die Vergangenheit, zurück zur steinzeitlichen Höhlenmalerei, kann mühelos geschlagen werden.

Manchmal ist die Maske auch ein Spiegel des inneren, der uns zeigt, was sich versteckt oder schlummert. Manchmal zeigt sie das wahre Wesen. Die Maske fasziniert.

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